Karl Slevogt: Automobil-Pionier aus Sparneck

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Oldtimer vollbesetzt

Karl Slevogt: Automobil-Pionier aus Sparneck

Deutschland – Autoland. Es gibt vermutlich wenige Produkte, die derart eng mit der deutschen Industrie verbunden werden, wie Fahrzeuge aller Art – und das, obwohl die Berichterstattung über ihre Hersteller momentan nicht allein deren positive Seiten aufzeigt.

 

Abgesehen von allen Skandalen und Kartellabsprachen gilt das Automobil jedoch nach wie vor als eine der größten Errungenschaften der Moderne. Immerhin trug es nicht allein erheblich zur Mobilität der Bevölkerung bei, sondern ließ auch die einzelnen Landstriche enger zusammenwachsen, die sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zu jenem „Deutschen Reich“ entwickeln sollten, das als erstes mit einer „Nation“ gleichzusetzen ist und damit ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der modernen Bundesrepublik einnimmt. Kein Wunder also, dass man der Entwicklung des Kraftwagens bereits allerlei Sondersendungen und Dokumentation in den Medien gewidmet hat, bei denen der Zuschauer über die revolutionären Ideen des Carl Benz oder auch die waghalsigen Versuche seiner Frau Berta aufgeklärt wird.

 

Bei einer solcher „Personifikation“, also einer Verschmelzung von Erfindung und dem dahinterstehenden Genius, ist das größte Problem, dass man einem Einzelnen meist den ganzen Ruhm zuspricht, wohingegen doch in Wahrheit mehrere schlaue Köpfe beteiligt gewesen sind. Als ein kleines Trostpflaster gilt es daher, dass viele jener Konstrukteure, die zum Weltruf der deutschen Automobilindustrie beigetragen haben, bis heute wenigstens in den Markennamen fortleben: Carl Benz, Ferdinand Porsche, Adam bzw. Karl Opel und selbst August Horch, der 1951 in Münchberg verstarb und dessen latinisierter Nachname an den AUDI-Modell zu erkennen ist.

 

Andere Tüftler jedoch, die einen entscheidenden Anteil am Siegeszug des Automobils tragen, sind mittlerweile komplett von der Bühne der Geschichte verschwunden, was zum großen Teil daran liegt, dass den Firmen, für die sie tätig gewesen waren, in der recht schnelllebigen technischen Entwicklung ein allzu langes Leben vergönnt gewesen ist.

 

Karl Slevogt, Sparneck

Karl Slevogt, Sparneck

Einer davon ist Karl Slevogt, der 1876 in Sparneck am Fuße des Waldsteins das Licht der Welt erblickt und in der örtlichen Volksschule schließlich die Grundlagen für seine spätere Ausbildung gelegt hatte. Schon in jenen jungen Jahren muss aufgefallen sein, dass Karl ein wenig „anders“ war, als seine Klassenkameraden – immerhin faszinierten ihn komplizierte Abläufe und technische Verfahren weitaus mehr, als man von einem Kind seines Alters erwartet hätte. Die Eltern, das Forstmeisterehepaar zu Sparneck, erkannten diese Begabung des Sprösslings frühzeitig genug, um ihn zur besseren Ausbildung an die Realschule nach Jena zu senden, die er 1894 mit dem Abschluss verließ. Sein weiterer Werdegang schien in einer der zahlreichen dort angesiedelten Firmen vorgezeichnet, doch zog es den begeisterungsfähigen jungen Mann zuallererst noch einmal in die heimischen Gefilde: In der Selber Maschinenbaufabrik der Gebrüder Thomas und Christian Netzsch absolvierte er ab 1894 ein einjähriges, zur Zulassung am Technikum Mittweida benötigtes Praktikum und kam dabei mit den damals modernsten Fertigungsprozessen in Kontakt, die seine späteren Erfindungen nachhaltig beeinflussen sollten.

 

Vier Jahre nach dieser für ihn prägenden Erfahrung verließ Slevogt das Technikum mit einem Diplom als Maschinenbauingenieur und erhielt noch im gleichen Jahr eine Anstellung beim Aachener Fahrzeugbauer Cudell, der sich darauf konzentriert hatte, mit Lizenzen des französischen Erfinders De Dion einfachste Motoren zu bauen. Nach einem Rechtsstreit und dem Ausscheiden des damaligen Chef-Konstrukteurs Paul Henze stieg Slevogt 1902 in dessen Fußstampfen und sah sich mit der Aufgabe konfrontiert, zum Überleben der noch jungen Firma einen eigenen Motor zu entwickeln, was 1904 endlich gelang. Man beachte, dass er dies auch ohne Förderprogramme für Gründer möglich machte. Nur ein Jahr später legte er mit dem „Cudell Phönix“ nach: Einem beeindruckenden Fahrzeug mit 6.100 ccm Hubraum und für die damalige Zeit sagenhaften 45 PS.

 

Aufgrund jener starken Motorleistung gelang Karl Slevogt im Rahmen eines Besuchs bei seinen Eltern in Sparneck 1904 eine weitere Premiere: Als erster Mensch erklomm er im „Phönix“ den Gipfel des Waldsteins mit einem Automobil, was in der lokalen Presse entsprechend frenetisch gefeiert worden ist und im Fahrer selbst eine zweite Leidenschaft entfachte: Autorennen. Zeitgleich mit seiner Anstellung bei Cudell begann Slevogt damit, seine Konstruktionen bei teils waghalsigen Fahrten unter Beweis zu stellen, was er auch fortführte, nachdem er 1906 zum böhmischen Autobauer Laurin & Klement (heute SKODA) gewechselt war. Falsche Angaben bezüglich seiner Fahrerlaubnis und ein schwerwiegender Unfall beim Semmering-Bergrennen führten 1908 zum Ausscheiden des genialen Tüftlers aus der Firma, ehe er nach einigen Zwischenstopps bei anderen Herstellern schließlich zu den Apollo-Werken in Thüringen wechselte und dort 1910 zum Leiter der Konstruktion berufen wurde.

 

Autorennen - die Leidenschaft von Karl Slevogt

Autorennen – die Leidenschaft von Karl Slevogt

 

Neben alltagstauglichen Fahrzeugen, die sich durch ihre leichte Bauweise auszeichneten, schraubte Slevogt weiter an Rennautomobilen, mit denen er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs regelmäßig Rekorde aufstellte und sogar angesehene Marken wie Bugatti, Mercedes oder Opel auf die hinteren Plätze verbannte. Das alles jedoch reichte ihm, den man neudeutsch wohl als „Adrenalin-Junkie“ bezeichnen würde, nicht und so begann er in den 1920er Jahren schließlich mit der Entwicklung einer neuartigen Stromlinienverkleidung, wodurch er den Rennsport bis heute nachhaltig prägt.

 

Eine letzte Wendung in seiner Laufbahn kam schließlich ab 1938: Nicht mehr schnelle Fahrzeuge standen mit Blick auf die deutsche Rüstung im Vordergrund, sondern geländegängige, wendige Lastkraftwagen, die den Vorstoß der Truppen insbesondere durch die russische Taiga ermöglichen sollten – immerhin hatte sich aus der stolzen Nation des 19. Jahrhunderts zwischenzeitlich ein von Hitler und anderen Demagogen verquerter „Nationalismus“ entsponnen, der für das deutsche Volk den Lebensraum im Osten zu sichern trachtete.

 

Karl Slevogt legte pflichtschuldig die Planungen für einen Allrad-Antrieb vor, der zwar niemals in den kalten Wintern der Ostfront zum Einsatz kam, nach dem Kriegsende jedoch im „UNIMOG“ eingesetzt werden sollte. Noch 1950, ein Jahr vor seinem Tod, stand er voller Stolz in einer Reihe mit den größten Automobilkonstrukteuren Deutschlands: August Horch, Ferdinand Porsche, die Gebrüder Benz – sie alle zählten zu seinen Freunden und wussten um seine herausragende Genialität. Heute jedoch ist sein Name beinahe vollends vergessen, wenngleich viele seiner Konstruktionen im modernen Fahrzeugbau weiterleben.

 

Wolfgang Spitzbarth gebührt die Hochachtung, Leben und Werk von Karl Slevogt derart detailliert erforscht zu haben. Nähere Informationen zum momentanen Stand der Recherchen finden sich auf seiner Homepage unter www.spitzerer.de

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Adrian Rossner

Jahrgang 1991, studierte Geschichte (Schwerpunkt fränkischer Landesgeschichte), Anglistik und Erziehungswissenschaften an der Universität Bayreuth. Er ist seit Jahren in der Heimatforschung des nordoberfränkischen Raums aktiv und bestellter Kreisarchivpfleger des Landkreises Hof, sowie Referent für Heimatpflege des Fichtelgebirgsvereins. Die Ergebnisse seiner Recherchen präsentiert er regelmäßig in Form von Vorträgen und Publikationen einem breiteren Publikum.

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