Innovation made in Hochfranken: Der Diwilli von Carl Wilfert aus Kirchenlamitz
Hätten Sie gewusst, dass die berühmte „Kartoffel- und Rübenwaschmaschine Diwilli“ von Carl Wilfert aus Kirchenlamitz im Fichtelgebirge erfunden worden ist? Dieses Gerät, das man bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf fast jedem landwirtschaftlichen Betrieb vorfand, hat die Verarbeitung der Knolle elementar vereinfacht – und diente, das allerdings nur am Rande, vermutlich auch als Vorlage für die bis heute gebräuchlichen Lotto-Ziehmaschinen… Die Menschen Nordoberfrankens setzen eben Maßstäbe und haben immer wieder bedeutende Erfindungen gemacht und daraus tolle Unternehmen aufgebaut. Und was damals „Hardware“ war ist heute „Software“ und digital. Dabei hat jede Idee ihre Geschichte und den Diwilli hätte es ohne die Kartoffel nicht gegeben. Und die hat in Oberfranken eine ganz eigene, höchst interessante Historie.
Eine kurze Geschichte der Kartoffel.
Gerade zum runden Geburtstag Friedrichs des Großen war sie buchstäblich wieder in aller Munde – die Kartoffel. Noch heute erzählt man sich, der Preußenkönig habe in einem Anflug von Nächstenliebe seinen Untertanen den Anbau der Erdknolle befohlen, um sein Volk so vor dem drohenden Hungertod bewahren zu können – diese Tat wird vielerorts als Geburtsstunde des Kartoffelanbaus gesehen. Doch wollen wir auf dieser kurzen Reise durch die Geschichte von vorne beginnen und uns deshalb zuerst mit dem Ursprungsland der Kartoffel auseinandersetzen, den südamerikanischen Regionen. Der berühmt-berüchtigte Francesco Pizarro war es, der 1533 das Inkareich eroberte und dabei zusammen mit seinen Conquistadores die von den Ureinwohnern angebaute Pflanze entdeckte.
Aufgrund der guten Konservierungsmöglichkeiten, nahmen die Söldner kurzerhand einige Knollen mit und brachten sie heim nach Spanien, wo sich der erste Anbau der Frucht im Hafen von Sevilla nachweisen lässt. Im Laufe der nächsten Jahre breitete sich die Kartoffel über ganz Europa aus und erhielt schließlich von den Italienern den Namen „Tartuffoli“ (deutsch: Kleiner Trüffel), bevor sie im Jahre 1588 auch der berühmte Wiener Arzt Carolus Clusius in die Hände bekam. Durch seine Publikationen bekannt gemacht, wurde sie zuerst als Zierpflanze in den Wohnungen der reichen Leute gesichtet, bevor man sich der Erforschung dieser geheimnisvollen Frucht widmete: Wahrscheinlich ist es jedoch auf die zeitweise recht laienhafte Umgangsweise zurückzuführen, dass die Pflanze binnen kürzester Zeit ihren bis dato erworbenen Ruf mehr oder weniger komplett verlor. Als „Teufelsapfel“ verschrien, sagte man ihr allerlei bösen Zauber nach, rechnete ihr Krankheiten wie Syphilis an und vermied es tunlichst, die giftigen Blütenstände zu essen. Damals wusste man immerhin noch nicht, dass allein die Knolle genießbar war.
Wie nun genau die Pflanze nach Oberfranken gekommen ist, konnte bis heute nicht einwandfrei bewiesen werden, doch existieren verschiedene Erklärungen, wie etwa der Bayreuther Historiker von Hagen in einem Aufsatz schreibt: „Der Sage nach hatte in Böhmen ein einquartierter niederländischer Offizier in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts in einer dortigen Stadt von der Nützlichkeit des Baus der Kartoffeln gesprochen, was man ihm jedoch nicht glauben wollte. Um die Richtigkeit seiner Angabe darzuthun, ließ er deshalb aus seinem Vaterlande eine Partie Kartoffeln kommen und schenkte sie einem Edelmann in Böhmen, der sie auf seine Felder stecken ließ“ (Archiv für Geschichte und Alterthumskunde von Oberfranken, Band 9, Heft 1, S 245) Demnach wäre die Kartoffel also durch Import aus den Niederlanden über Böhmen bis nach Oberfranken gekommen, da der Lehensbauer Hans Rogler aus Pilgramsreuth zu eben der gleichen Zeit in Rossbach bei Asch geweilt und dort vom richtigen Anbau der Kartoffel unterrichtet worden sein soll. Nach diesem Aufenthalt hat der Bauer im Jahr 1647 die ersten Kartoffeln nach Selb mitgebracht und dort kultiviert.
Es ist jedoch beinahe eine Ironie der Geschichte, dass wir nur durch einen Prozess derart genau die Geschichte des Kartoffelanbaus rekonstruieren können: Es war der Dorfpfarrer Johann Matthäus Keppel, der am 16. August 1694 einen Brief an seine Vorgesetzten verfasste, in dem er sich darüber beschwerte, dass sich die Bauern weigerten, den Zehnt auf Kartoffeln an ihn zu entrichten. Diese beriefen sich dabei auf die Vorschrift, dass nur auf Körnerfrüchte diese Abgabe des zehnten Teils der Ernte erhoben werden durfte, nicht aber auf die in der Erde wachsenden Knollenpflanzen. Nachdem sich die Bauern daraufhin noch immer weigerten zu zahlen, wurde am 3. Februar 1696 eine „Replik“ vom Pfarrer eingereicht, in der auf die Geschichte der damals noch „Erdbirn“ genannten Frucht verwiesen wird. Im folgenden Prozess und einigen Verhören wurde schließlich Hans Rogler als erster Kartoffel-Anbauer bezeugt und somit gebührt ihm die Ehre, die köstliche Frucht in unserer Region eingeführt zu haben. Im Übrigen erfahren wie aus den Schreiben Keppels auch, dass sich Roglers Nachbarn zu Anfang strikt gegen den Anbau der Kartoffel gewehrt hatten, da man gesehen haben will, wie ein starker Ochse nach dem Verzehr einiger Pflanzen tot umgefallen war. Jedoch mussten sie in den folgenden Jahren eines besseren belehrt worden sein und so ist es nicht verwunderlich, dass bereits 1712 von 1300 Zentnern Ertrag geschrieben worden und in der Mitte des 18. Jahrhunderts der Anbau der Knollen auch in weiter entfernten Gegenden eingeführt worden ist. Markgraf Friedrich war es schließlich, der 1746 auch endlich die Frage nach dem Zehnten klärte, indem er in einem Dekret klar darauf verwies, dass der Anbau nun auch von oberster Stelle aus gefördert würde. Erst einige Jahre später betrat der Preußenkönig Friedrich die Bühne und erließ das Gebot, „Erdtapfeln“ anzubauen, um so die Bevölkerung vor dem Hungertod zu bewahren. Welche Rolle dabei seine Schwester, die Bayreuther Markgräfin Wilhelmine, spielte, ist bis heute nicht geklärt. Schon früh, 1716 nämlich, sind indes erste Rezepte für die Zubereitung der Kartoffel aufgekommen. Pachelbel schreibt in seiner „Ausführlichen Beschreibung des Fichtelberges“: „Dreimal täglich bildete dann die Kartoffel die gewöhnliche Kost, ergänzt durch billigstes: Salz, ein wenig Quark, Wurstbrühe oder Heringslake […].“ Auch wird berichtet, dass der Hering vielerorts von der Decke herabhing und die „Familienmitglieder die Erdäpfel nur [daran] wischen konnten, damit sie wenigstens ein wenig den Heringsgeschmack bekamen.“
Die Kartoffel hat demnach einen langen Weg hinter sich gebracht, von Amerika über Spanien und die Niederlande bis nach Oberfranken; nach einer Zeit der Verteufelung der Pflanze erkannte man schließlich ihren wahren Nutzen und sah sie, vor allem in den Zeiten des Hungers und der Katastrophen, vielmehr als Geschenk Gottes an. Vergessen sollte man dabei jedoch nie, dass die Pionierleistung, den ersten (urkundlich belegten) Anbau der Knolle ermöglicht zu haben, auf einen Vordenker aus dem Hofer Land zurückgeht. Generell, so gilt es am Ende festzustellen, kann die Kartoffel durchaus als „Fränkin“ bezeichnet werden: Immerhin gibt es neben Rogler und dem Markgrafen Friedrich noch einen Tüftler aus dem Fichtelgebirge, der maßgeblich zur Verbreitung der Feldfrucht beigetragen hat: Carl Wilfert aus Kirchenlamitz mit seinem Diwilli.