Running Lean: Schritt für Schritt zum eigenen Geschäftsmodell

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Ash Maurya bei einer Präsentation des Lean Canvas

Running Lean: Schritt für Schritt zum eigenen Geschäftsmodell

(Running Lean Workshop mit Ash Maurya bei Start-Thailand | Quelle: http://ow.ly/IZKZ30e1ZNA)

 

Erinnerst du dich noch an unseren letzten Blog-Post zum Business Model Canvas? Dieses Tool erleichtert dir die Beschreibung, Entwicklung und Diskussion eines Geschäftsmodells, macht es intuitiv erfassbar und bringt es in eine visuell ansprechende Form.

 

Hat man sein Geschäftsmodell also einmal aufgestellt, folgt der nächste Schritt: Man muss das Geschäftsmodell schnellstmöglich mit potenziellen Kunden („early adopters“) face-to-face testen um zu sehen, ob es am Markt Erfolg haben kann. Und hier kommt die „Running Lean“-Methode von Ash Maurya zum Einsatz, die auf der Lean Startup Methode basiert. Moment…Lean what?!

 

 

Die Lean Startup Methode im Überblick

 

Lean Startup ist, in einfachen Worten ausgedrückt, eine Methode zur Entwicklung neuer Produkte oder Services und dazugehörigen, tragfähigen Geschäftsmodellen. Sie wurde vom US-amerikanischen Entrepreneur Eric Ries entwickelt, der diese Methode in dem von ihm mitgegründeten Softwareunternehmen IMVU testete und mit Erfolg umsetzte.

 

Seit der ersten Erwähnung durch Ries in dessen Blog “Startup Lessons Learned” im September 2008 veränderte Lean Startup fundamental die Art und Weise der Entwicklung von neuen Produkten und Services und wird seither von einigen der innovativsten und schnellst wachsenden Unternehmen weltweit (z.B. Dropbox) erfolgreich eingesetzt.

 

Wesentliches Element der Lean-Startup-Methode ist die „schlanke“ Durchführung eines Innovationsprojektes innerhalb eines Startups oder Unternehmens. Sie soll in erster Linie die Verschwendung von Ressourcen und damit einhergehende, finanzielle Aufwendungen minimieren.

Eric Ries von Lean Startup

Eric Ries, Silicon Valley Entrepreneur und Begründer der Lean Startup Methode (Quelle: http://ow.ly/Rmzd30dZ04t).

Ziel der Lean Startup Methode ist es, zunächst die Wünsche und Bedürfnisse der anvisierten (und vermeintlich profitabelsten) Zielgruppe zu identifizieren, um darauf aufbauend die Entwicklung des „richtigen“ Produkts oder Services für diese User voranzutreiben.

 

Das größte Problem vieler Startups und auch bereits etablierter Unternehmen, die neue, innovative Produkte oder Services auf den Markt bringen wollen, ist, dass sie in einem Umfeld großer Ungewissheit und Unsicherheit operieren.

 

Das Kundensegment sowie das Produkt oder der Service an sich sind zu Beginn zwar definiert, basieren aber auf Vermutungen. Es steht noch nicht fest, ob das Produkt oder der Service die Bedürfnisse der Kunden befriedigt und ob es überhaupt Personen gibt, die bereit sind, das Produkt zu nutzen bzw. dafür zu bezahlen.

 

Die Lean Startup Methode wirkt diesem Umstand entgegen und hilft dabei, die Ungewissheit zu verringern und Risiken sowie Aufwendungen weitestgehend zu minimieren. Es geht vor allem darum, die Produktentwicklung von Beginn an so effizient wie möglich zu gestalten, indem deine potenziellen User sehr früh in den Findungs- und Gestaltungsprozess mit eingebunden werden.

 

Unterstützend und parallel zur Lean Startup Methode haben sich aber im Laufe der Zeit noch alternative Wege und Methoden durchgesetzt, um die Produktentwicklung effizient voranzutreiben und das bestmögliche Geschäftsmodell mit seinen einzelnen Komponenten herauszufinden.

 

Besonders für Startups, die sich in einer frühen Phase der Produktentwicklung befinden, hat sich dabei die explorative Methode der Produkt- und Geschäftsmodellentwicklung „Running Lean“ des texanischen Entrepreneurs Ash Maurya etabliert.

Running Lean

 

Ash Maurya, US-amerikanischer Entrepreneur und Internet-Unternehmer, veröffentlichte 2012 seine Methode der Produkt- und Geschäftsmodellentwicklung namens „Running Lean“, die auf der Lean-Startup-Methode von Eric Ries aufbaut.

 

Maurya versuchte damals, die von Ries vorgeschlagene Lean Startup Methode bei der Entwicklung seines neuen Produkts „Cloud Fire“ anzuwenden. Er hatte jedoch Probleme, die von Ries innerhalb seines mittelständischen, etablierten Softwareunternehmens IMVU entwickelten Startup-Techniken auf sein Ein-Mann-Startup zu übertragen. Er folgerte daraus, dass die von Ries für einen sehr weiten Anwenderkreis gedachte Methode für die Bedürfnisse von Startups konkretisiert werden müssten.

 

Zudem wollte Maurya einen Fehler vermeiden, den viele Startups machen: oftmals wird ein realitätsnaher Prototyp des Produkts über mehrere Monate mit beträchtlichem Einsatz an Arbeitszeit und Investitionen entwickelt, und potenzielle Kunden bekommen diesen erst zu Gesicht, wenn bereits eine beträchtliche Menge der zur Verfügung stehenden Ressourcen investiert wurde. In dieser Herangehensweise sieht Maurya zwei Hauptprobleme:

 

  • Das größte Risiko eines Startups besteht darin, etwas herzustellen, das niemanden interessiert. Beim oben geschilderten Prozess der Prototypen-Entwicklung findet der Abgleich zwischen Idee und Realität viel zu spät statt. Innovatoren sollten deshalb durch persönliche Befragung der anvisierten User die Tauglichkeit ihrer Ideen prüfen, bevor nennenswerte Ressourcen in die Umsetzung investiert werden.
  • Dem (technischen) Lösungsaspekt wird oftmals die gesamte Aufmerksamkeit geschenkt. Dieser mache jedoch nur einen geringen Anteil des späteren Produkts aus. Wichtige Aspekte wie die Zielgruppe, Absatzkanäle und das Geschäftsmodell bleiben unberücksichtigt.

 

Deshalb schuf Maurya mit Running Lean eine Art Startup-Tutorial, das sich u.a. an Entrepreneure, Unternehmer und Erfinder richtet, die ein neues Produkt auf den Markt bringen wollen. Running Lean begleitet den Anwender dabei Schritt-für-Schritt durch einen systematischen Prozess, um die meist wirkungslose Ursprungsgeschäftsidee in Richtung eines funktionierenden Geschäftsmodells zu treiben.

 

 

Bestandteile der Running Lean Methode

 

Für die Entwicklung von Running Lean griff Maurya nicht nur auf die Lean Startup Methode von Eric Ries zurück. Er verwendete auch eine Reihe ergänzender Techniken, um die Methode abzurunden:

 

  • Customer Development: Die vom US-Wirtschaftsprofessor und Internet-Unternehmer Steve Blank geprägte Methode „Customer Development“ beschreibt das regelmäßige Einholen und Einbeziehen von Kunden-Feedback bereits während der Produktentwicklung.
  • Bootstrapping: Der Begriff „Bootstrapping“ bezeichnet im Allgemeinen eine Finanzierungsart der Unternehmensgründung, die gänzlich ohne externe Finanzierung funktioniert. Ziel der Methode ist eine einfache, rasche Unternehmensgründung sowie die weitgehende Bewahrung der unternehmerischen Souveränität durch Verzicht auf Fremdkapital.
  • Lean Canvas: Das „Lean Canvas“ ist eine von Maurya abgewandelte Version des „Business Model Canvas“ von Osterwalder und Pigneur. Es wird zur Visualisierung des Ursprungsgeschäftsmodells genutzt.

 

 

Prozessschritte von Running Lean

 

Maurya gliedert Running Lean in drei Prozessschritte.

 

Dokumentation des „Plan A“ auf dem Lean Canvas: Mit Hilfe eines handlichen, einseitigen Geschäftsmodell-Diagramms namens „Lean Canvas“ wird die ursprüngliche Ausgangsidee (Plan A) dokumentiert. Neun vorgegebene Blöcke zwingen dabei zu einer ganzheitlichen, auf ein vollwertiges Geschäftsmodell abzielenden Dokumentation der Geschäftsidee. Der limitierte Platz sorgt für eine „schlanke“ Erfassung der zugrunde liegenden Hypothesen.

 

Identifikation der riskantesten Teile des Plans: Der zweite Schritt dient dazu, die riskantesten Teile des in Schritt 1 erstellten Plan A zu identifizieren. Dabei unterstützt Running Lean den Anwender mit einem phasenabhängigen Risikobeurteilungsansatz, der auf den aktuellen Produktentwicklungsfortschritt des Startups abstellt:

  • Zu Beginn muss ein Startup danach streben, den sog. Problem/Solution-Fit zu erreichen. In dieser Phase entscheidet sich, ob die anvisierten User überhaupt ein Problem haben, das durch das Produkt oder den Service gelöst werden kann. Die Frage „Verfolge ich ein lösenswertes Problem?“ stellt also das Hauptrisiko in der Frühphase eines Startups dar.
  • In Phase zwei wird der sog. Product/Market-Fit angestrebt. Hat man ein lösenswertes Problem gefunden, sollte überprüft werden, wie zuverlässig das zu entwickelnde Produkt das Problem der Kunden löst. Dabei wird die Markttauglichkeit des Produkts sowohl qualitativ durch Interviews als auch quantitativ anhand von Demos mit Kunden getestet und durch diese bewertet.
  • Ist die Markttauglichkeit des Produkts bestätigt, kann sich das Startup dem Wachstum bzw. der Skalierung seines Geschäftsmodells widmen.

 

Experimente: In der dritten und letzten Phase werden die riskantesten Elemente des Plans systematisch anhand von Experimenten getestet und verbessert.

Lean Canvas von Ash Maurya als Bild

Lean Canvas von Ash Maurya (Quelle: http://ow.ly/NzGB30e21jr)

Dokumentation des „Plan A“

 

Um nun real existierende Probleme und Bedürfnisse deiner zu untersuchenden Zielgruppen identifizieren und darauf basierend das „richtige“ Product ermitteln zu können, ist es zunächst nötig, mit Hilfe des „Lean Canvas“ eine Ausgangsidee (Plan A) für dein Geschäftsmodell zu dokumentieren. Maurya schlägt dabei die Befüllung der neun Blöcke des „Lean Canvas“ anhand des folgenden Schemas vor:

Lean Canvas mit Ausfüllhilfen von Ash Maurya als Bild

Dokumentation des „Plan A“ mit dem Lean Canvas (Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Maurya (2013), S. 27)

Das Ausfüllen sollte dabei in einem Zug geschehen und nicht länger als 15 Minuten dauern. Maurya empfiehlt zudem, sich kurz zu fassen, von der Gegenwart auszugehen und nie den Kunden aus dem Blick zu verlieren. Doch mit welchem der neun Blöcke sollte man denn beginnen? Mauryas Empfehlung: starte mit den Blöcken „Problem“ und „Customer Segments“.

 

 

1. + 2. Problem und Customer Segments

 

Maurya rät also, mit dem Ausfüllen der Felder „Problem“ und „Customer Segments“ zu beginnen. Der Anwender von Running Lean sollte bereits ein klares Bild von den Usern des späteren Produktes haben und sich in ihre Lage versetzen.

 

Im Feld „Problem“ sollen wesentliche Probleme anhand von Hypothesen aufgelistet werden, deren Lösung sich das jeweilige Kundensegment wünscht oder Probleme, die Kunden haben könnten oder gern erledigt sehen würden.

 

Des Weiteren sollen existierende Konkurrenzprodukte („Existing Alternatives“) oder Lösungsansätze aufgelistet werden, die die angenommenen Probleme vielleicht bereits (ansatzweise) lösen.

 

Dabei soll die Konkurrenzanalyse nicht aus der Sicht des Innovators, sondern aus dem Blickwinkel der potenziellen Kunden erfolgen.

 

 

3. Unique Value Proposition

 

Unter einer “Unique Value Proposition” (UVP) versteht Maurya das Alleinstellungsmerkmal eines Produkts, das seinen Kauf oder zumindest das Interesse der Kunden am Produkt rechtfertigt. Ins Deutsche übersetzt lässt sich “Unique Value Proposition” wohl am ehesten mit „einzigartiges Wertangebot“ übersetzen.

 

Maurya sieht dieses Feld als eines der wichtigsten, aber auch am schwersten auszufüllenden an, da sowohl die rationale als auch die emotionale Seite der Kunden angesprochen werden muss.

 

Häufige Fehler bei der Wahl des Wertangebots sind Alleinstellung um jeden Preis (auch wenn das Merkmal für den User gar nicht relevant ist) oder die bloße Aufzählung von Produktfunktionen, ohne den Endnutzen für die User hervorzuheben.

 

 

4. Solution

 

In diesem Feld werden mögliche Lösungen für die im Feld „Problem“ genannten Problembereiche aufgeführt. Die Suche nach „endgültigen“ Lösungen ist hier jedoch nicht zielführend, da man zu Beginn nur mit hypothetischen, ungelösten Problemen konfrontiert ist.

 

Es kommt im Laufe der folgenden Interviews laut Maurya zudem häufig vor, dass man mögliche Lösungen überdenken oder ganz verwerfen muss. Eine Verknüpfung von Lösung und Problem soll so spät wie möglich erfolgen.

 

 

5. Unfair Advantage

 

Maurya definiert den Begriff „Unfair Advantage“ als eine Eigenschaft, die nicht einfach kopiert oder gekauft werden kann. Sollte sich die Produktidee oder das Geschäftsmodell eines Startups nämlich als rentabel erweisen, treten Nachahmer auf den Plan und werden versuchen, die Idee oder das Modell zu kopieren.

 

Der „unlautere Vorteil“ schützt dabei das Startup vor Nachahmern und finanzstarker Konkurrenz. Als Beispiele nennt Maurya Insiderinformationen, eine etablierte Community oder eine bestehende Kundenbasis.

 

 

6. + 7. Revenue Streams und Cost Structure

 

Durch die Felder “Revenue Streams” und “Cost Structure”, also Einnahmen und Ausgaben, kann sich der Anwender der Running Lean Methode einen Überblick über die Rentabilität des Produkts bzw. Services verschaffen.

 

Dabei stellt die Sicherstellung von Einnahmen für ein noch in Entwicklung befindliches Produkt laut Maurya ein großes Problem für Startups dar, da die wenigsten Kunden bereit sind, dafür zu zahlen. Der Kunde wird es jedoch gerne tun, wenn das Produkt oder der Service tatsächlich ein dringendes Problem löst.

 

Zögert man die „Preisfrage“ zudem zu lange hinaus, können wichtige Erkenntnisse über die Bestätigung der Produktidee sowie über rentable Kundensegmente und Zielgruppen verloren gehen. Eine Methode der Preisbildung kann laut Maurya darin bestehen, den Preis im Vergleich mit existierenden Alternativen im „Problem“-Feld festzusetzen.

 

Auf der Ausgabenseite werden Betriebskosten während der Vermarktung des Produkts aufgelistet. Diese können jedoch nur grob überschlagen werden und sollten sich an gegenwärtigen Rahmenbedingungen orientieren. Anhand der (hypothetischen) Einnahmen und Ausgaben kann somit der Break-Even, also die Rentabilitätsschwelle, geschätzt werden.

 

 

8. Key Metrics

 

Jedes Startup und dessen Aktivitäten lässt sich mithilfe von Kennzahlen (KPIs) messen. Zur Messung des Fortschritts eines Startups empfiehlt Maurya Pirate Metrics von Dave McClure. Es ist ein Modell zur Analyse von Unternehmen und bildet das gesamte Interaktionsverhalten von Kunden mit dem neuen Produkt ab. Es lässt sich auf verschiedene Geschäftszweige anwenden und besteht aus fünf Interaktionsphasen:

  • Acquisition (Akquisition): In dieser Phase wird die Kundschaft auf das Produkt aufmerksam (Bsp.: Kunde betritt Geschäft oder interagiert mit Produktwebsite oder Landing Page)
  • Activation (Aktivierung): Kunden machen erste positive Erfahrungen mit dem Produkt (Bsp.: vielversprechende Demonstration auf der Produktwebsite oder Landing Page)
  • Retention (Kundenbindung): Kunden nutzen oder probieren das Produkt wiederholt (Bsp.: Ausprobieren vor dem Kauf im Geschäft; Nutzung einer Demoversion)
  • Revenue (Einnahmen): Kunden zahlen für das Produkt (Bsp.: Erwerb der Premium-Version eines Online-Dienstes)
  • Referral (Empfehlung): Kunden empfehlen das Produkt weiter und werben andere Anwender

 

 

9. Channels

 

„Channels“ sind Kanäle zu potenziellen Kunden. In der Frühphase von Running Lean wird der Anwender der Methode potenzielle Kunden bzw. Interessenten aus dem Freundes-, Bekannten- und/oder professionellen Umfeld rekrutieren.

 

Mit ihnen wird die Geschäftsidee in den Problem- und Lösungsinterviews getestet und verfeinert. Für die spätere Wachstumsphase des Startups ist es jedoch wichtig, sich frühzeitig Gedanken über Kanäle zu neuen Kunden zu machen.

 

Sooo…dein erster „Plan A“ ist nun auf dem Lean Canvas dokumentriert. Falls du noch Fragen hast oder es noch Unklarheiten über das genaue Ausfüllen gibt, kannst du dir hier ein PDF von Ash Maurya herunterladen, indem er Schritt für Schritt sein eigenes Lean Canvas erstellt hat.

 

 

Durchführung von Probleminterviews

 

Dein „Plan A“ steht jetzt also. Wir sind einen großen Schritt weiter gekommen, hin zu einem funktionierenden Geschäftsmodell. Allerdings enthalten diese „A-Pläne“ zahlreiche ungeprüfte Annahmen. Woher weißt du, ob Snapchat wirklich bei deinen Usern als Kanal funktioniert? Interessieren sich Senioren für dein „Senioren-Wearable“ wirklich? Wie viel würden Sie bezahlen?

 

Durch die Durchführung von Probleminterviews werden diese Annahmen nun überprüft, um Antworten auf folgende Fragen zu finden:

  • Welche Probleme und Bedürfnisse haben die zu untersuchenden User? (Feld „Problem“)
  • Wie lösen die untersuchten User diese Probleme derzeit? (Feld „Existing Alternatives“)
  • Sind die untersuchten User relevant im Rahmen des Geschäftsmodells? Falls ja, lassen sie sich genauer charakterisieren oder segmentieren?
  • Stellen die untersuchten User profitable Kundengruppen dar? (Feld „Customer Segments“)

Ziel der Probleminterviews ist es, schnell und fokussiert möglichst viel über die zu untersuchenden User (potenzielle Kunden) zu lernen und die aufgestellten (Problem-) Hypothesen auf möglichst einfache Weise zu überprüfen.

 

Die überwiegend aus offenen Fragen bestehenden qualitativen Probleminterviews dienen zudem der qualitativen Validierung der Produktidee. Dabei muss der Anwender keine große Anzahl an geeigneten Personen interviewen.

 

Um das erste Ziel zu erreichen, nämlich ein starkes Signal (positiv oder negativ) zu erhalten, sind schon fünf Probleminterviews mit potenziellen Kunden ausreichend.

 

Maurya unterstreicht hier ausdrücklich, dass es sehr wichtig ist, dass die Interviews persönlich mit den Kunden durchgeführt werden, da man nur auf diese Weise Gestik und Mimik der befragten Personen wahrnehmen kann und so wichtige Hinweise auf die Übereinstimmung von Problem und Lösung (Problem/Solution-Fit) erhält, die virtuell nicht beobachtbar wären.

Verstehe die Weltsicht deiner Kunden, bevor Du eine Lösung formulierst oder programmierst

In den Probleminterviews geht es primär darum, die Hypothesen hinsichtlich der Paarung im „Problem-Customer-Segment“ zu validieren. Dabei sollen vor allem folgende Risiken untersucht und Fragen beantwortet werden:

  • Produktrisiko: Was soll gelöst werden? (Feld „Problem“)
    Wie bewerten Kunden die wesentlichen (hypothetischen) Probleme?
  • Marktrisiko: Wer ist die Konkurrenz? (Feld „Existing Alternatives“)
    Wie lösen Kunden diese Probleme gegenwärtig?
  • Kundenrisiko: Wer hat das Problem? (Feld „Customer Segments“)
    Handelt es sich um ein rentables Kundensegment?
Schaubild zur Vorgehensweise bei Probleminterviews der Running Lean Methode

Probleminterview-Skript der Running Lean Methode (Quelle: http://ow.ly/PPCw30dYLqf)

Für das Probleminterview gibt Maurya ein Skript vor, das eine Art „Drehbuch“ für das Interview darstellt. Das Interview gliedert sich dabei in sieben Phasen. Eine genaue Beschreibung der Vorgehensweise und ein Running Lean Probleminterview-Skript findest du hier. Näheres dazu wird auch in Mauryas Buch beschrieben, das ich dir wärmstens ans Herz legen möchte!

 

Insgesamt sollten 20-30 Interviews genügen, um alle relevanten Daten in Erfahrung gebracht zu haben. Da nun real existierende Probleme deiner untersuchten User, bestehende Alternativen, derzeitige Lösungsansätze für die ermittelten Probleme sowie wichtige Erfolgsfaktoren bekannt sind, können basierend auf den ermittelten Ergebnissen und Erkenntnissen Ideen generiert werden, die daraufhin mit potenziellen Kunden getestet und von diesen bewertet werden. Dies geschieht in der nächsten Phase der Running Lean Methode, den sog. „Lösungsinterviews“.

 

 

Durchführung von Lösungsinterviews

 

In diesem Schritt sieht die Running Lean Methode vor, mögliche Lösungen für die ermittelten Probleme mit Usern anhand von sog. „Demos“ zu testen.

 

Ein „Demo“ kann in diesem Fall laut Maurya alles sein, was als Stellvertreter für die eigentliche Lösung dienen kann, z.B. ein Video, Skizzen, Demo-Software oder Screenshots. In der Lean Startup-Szene hat sich daür als Begriff „Minimum Viable Product“ (MVP) etabliert.

 

Als Blaupause für ein MVP gilt das Explainer-Video von Drew Houston, dem Gründer und CEO von Dropbox. Drew Houston erstellte 2011 ein Video, um die Funktionalität von Dropbox zu erklären. Die Software für Dropbox, wie wir es heute kennen, war jedoch gar nicht vorhanden!

 

Er simulierte lediglich die Funktion von Dropbox anhand vorher angelegter Bilder, Ordner, Animationen und HTML-Elementen. Nichts war fertig programmiert! Dieses Video führte letztlich zu einem Bericht im US-Techmagazin TechCrunch und die Beta-Liste für sein (nicht existierendes) Produkt schnellte über Nacht von 5.000 auf 75.000 Beta-User. Der Hammer! Sieh dir hier das Explainer-Video von Dropbox an:

Die Vorgehensweise, zunächst ein Minimum Viable Product zu erstellen, dient mehreren Zwecken:

 

Da die Herstellung der „Komplettlösung“ viel Zeit und Ressourcen verschlingen und zu unnötiger Verschwendung führen kann, werden mögliche Lösungen nicht vollständig, sondern nur prototypenhaft umgesetzt, um schnell und mit wenig Aufwand wertvolle Rückmeldungen von potenziellen Kunden zu bekommen.

 

Zudem können sich potenzielle Kunden ein erstes Bild von der Lösung machen und erkennen, dass die Lösung ihr Problem auch wirklich behebt, denn:

Die meisten Kunden können ihre Probleme erklären, haben aber keine Ideen für die ent-sprechenden Lösungen.

Maurya betont für die Entwicklung der Demos auch einige Richtlinien, die man beachten sollte, egal für welche Art von Demo man sich letztlich entscheidet:

 

(1) Das Demo muss (technisch) umsetzbar sein

(2) Es muss möglichst echt aussehen

(3) Es muss rasch variiert werden können

(4) Es muss Verschwendung minimieren

(5) Es sollten keine Dummy-Daten (z.B. Lorem-ipsum-Text) verwendet werden.

 

Das Lösungsinterview ist aber noch mehr als nur eine reine Produktvorführung. Maurya empfiehlt, auch die Frage der Preisgestaltung in den Lösungsinterviews zu behandeln und sie zur Verfeinerung der Zielgruppendefinition sowie als ersten Anhaltspunkt für mögliche generierbare Einnahmen zu nutzen.

 

Dazu nähert man sich der „Grauzone“ Preisbildung einfach auf einem ganz direkten Weg: Man fragt potenzielle Kunden nicht nach dem Preis, den sie zu zahlen bereit wären, sondern man gibt ihn einfach vor und testet die Reaktionen.

 

Um auch in dieser Phase die bestmöglichen Ergebnisse zu erhalten, gibt Maurya für das Lösungsinterview ein Skript vor, das eine Art „Drehbuch“ für das Interview darstellt. Das Lösungsinterview gliedert sich dabei analog zum Probleminterview in sieben Phasen. Eine genaue Beschreibung der Vorgehensweise und ein Running Lean Lösungsinterview-Skript findest du hier.

Schaubild zur Vorgehensweise bei Lösungsinterviews der Running Lean Methode

Lösungsinterview-Skript der Running Lean Methode (Quelle: http://ow.ly/6QQn30dYP4j)

Die Gesprächspartner der Lösungsinterviews sollten mehrheitlich aus den Teilnehmern der Probleminterviews rekrutiert werden. Diese haben jedoch bereits im Rahmen der Probleminterviews „Einfluss“ auf die Produktidee genommen, weshalb für eine weitere Validierung der Produktidee auch auf neue Interessenten zugegangen werden sollte, um neue Sichtweisen zur Lösung und den ermittelten Problemen zu erhalten und eine unbefangene Beurteilung der Ideen sicher zu stellen.

 

 

Ermittlung der Preisbereitschaft

 

Die Frage der Preisgestaltung deines Produkts oder Services solltest du, wie bereits erwähnt, auch in den Lösungsinterviews behandeln und sie zur Verfeinerung der Zielgruppendefinition sowie als ersten Anhaltspunkt für mögliche generierbare Einnahmen nutzen.

 

Next step: man fragt potenzielle Kunden und User nicht nach dem Preis, den sie zu zahlen bereit wären, sondern man gibt ihn einfach vor und testet die Reaktionen.

 

Beispiel: unterbreite deinen Interview-Partnern im Lösungsinterview ein hypothetisches Angebot:

 

„Sie interessieren sich für unsere Plattform XY? Das freut uns sehr! Wir bieten jetzt schon ein Abo-Modell an. Dabei können Sie alle Features unlimitiert nutzen. Der Preis dafür beträgt 200 € pro Monat.“

 

BÄÄÄMMMMMM! In your face! Sei danach sofort still, sage kein Wort mehr und beobachte regungs- und emotionslos die Reaktionen. Wie reagiert dein Interview-Partner? Verzeiht er das Gesicht? Sieht er nach unten? Ist er begeistert?

 

Solche Reaktionen live zu beobachten kann von unschätzbarem Wert sein. Sie geben dir erste Anhaltspunkte für dein zuünftiges Pricing und ob du dich dem Product/Market-Fit nährst.

 

Halten wir also fest: die Problem- und Lösungsinterviews fördern für dich bis hierhin unbekannte Daten, Informationen, Beziehungen und Gegebenheiten zu Tage, die ohne die Anwendung der Running Lean Methode im Verborgenen geblieben wären.

 

Da du nun real existierende Probleme deiner untersuchten Zielgruppen, die bestehenden Alternativen, derzeitige Lösungsansätze für die ermittelten Probleme, wichtige Erfolgsfaktoren für dein Produkt oder Service sowie Tendenzen der Preisbereitschaft der untersuchten Zielgruppen weißt, kann dein im Vorfeld erstelltes Lean Canvas (siehe „Dokumentation des „Plan A“) jetzt aktualisiert werden.

 

 

WRAPUP

 

Glückwunsch! Du näherst dich mit ganz großen Schritten deinem Product/Market-Fit und einem funktionierenden Geschäftsmodell.

 

Du weißt also nun…

…wie deine Zielgruppe genau  aussieht,

…welches Problem du für sie lösen kannst,

…was du besser machen musst als „existierende Alternativen“,

…wie die bestmögliche Lösung für deine Zielgruppe aussieht,

…welcher Wettbewerbsvorteil sich dadurch für dich und Business ergibt,

…wie viel deine Zielgruppe bereit ist, für deine Lösung zu bezahlen,

… und wie du deine User am besten erreichst

 

NEXT STEP: Hau in die Tasten und gib deinen Usern das, was sie wirklich wollen, getreu dem Motto:

Life's too short to build something nobody wants.

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Niko Emran

Hi, ich bin Niko. Als Netzwerkmanager im Einstein1 bin ich für das Online Marketing und die Beratung und Betreuung von Gründern und Startups zuständig.

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