Corporate Startups: Modeerscheinung oder Zukunftsmodell?
Digitale Transformation, KI oder Big Data sind nur ein paar der aktuellen Entwicklungen, die Unternehmen weltweit vor große Herausforderungen stellen. Die starren Strukturen und überlieferten Prozesse in großen, etablierten Unternehmer verhindern oft eine schnelle Reaktion und Anpassung an neue Entwicklungen.
Innovationen dauern oft zu lange und etablierte Unternehmen laufen Gefahr, von agilen Newcomern überrannt zu werden. Große Mittelständler und Konzerne etablieren daher seit geraumer Zeit Corporate Startups als Innovationstreiber im eigenen Unternehmen. Was Corporate Startups genau sind und welche Herausforderungen diese Konstellation mit sich bringt erfährst du in diesem Post.
Was ist ein Corporate Startup?
Ein Corporate Startup ist ein Startup innerhalb eines etablierten Unternehmens. Entweder erfolgt die Gründung eines Corporate Startups aus dem Unternehmen selbst heraus oder extern orientierte Corporate Inkubatoren oder Accelerators setzen auf externe Startups und fungieren ähnlich wie ein unabhängiger Startup-Inkubator.
Grundsätzlich ist ein Startup in einem Unternehmen dasselbe wie ein Startup in einer Garage: Eine Gruppe von „internen Unternehmern“, die mit neuen Ideen und Erfindungen versuchen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Corporate Startups – von der separaten Abteilung zum eigenständigen Unternehmen
Die Idee, innerhalb eines Unternehmens separate Umgebungen zu schaffen, in denen Innovationen für das Unternehmen vorangetrieben werden, ist nicht ganz neu. Der US-amerikanische Rüstungskonzern Lockheed Martin gilt als Pioneer auf diesem Gebiet. Eine als „Skunk Works“ bezeichnete Abteilung wurde von dem Konzern extra nur für den Zweck ins Leben gerufen, die Entwicklung der ersten Strahltriebwerke für den Konzern voranzutreiben.
In Deutschland nimmt die Zahl der Corporate Inkubatoren seit etwa zehn Jahren stetig und mit wachsendem Tempo zu. Zunächst nur vereinzelt anzutreffen waren es im Jahr 2015 etwa 30 % der DAX Unternehmen, die interne Startups als Innovationsschmiede etabliert haben.
Heute betreiben rund 70 % der großen DAX-Konzerne eigene Brutkästen und Acceleratoren für Corporate Startups. Darüber hinaus gehen deutsche Konzerne zur Zeit mit rund 100 Corporate Venture Capital (CVC) Gesellschaften Corporate Startup Partnerships ein.
Der große Vorteil für Corporate Startups ist, dass sie auf die Ressourcen des Mutterunternehmens – Infrastruktur, Knowhow, Kapital und HR – zurückgreifen können. Auf der anderen Seite ist genau diese Einbettung in das Mutterunternehmen oft mit ganz eigenen Herausforderungen für ein Corporate Startup verbunden.
Herausforderungen für Corporate Startups in etablierten Unternehmen
Es liegt in der Natur von Startups, flexibel, handlungsorientiert, reaktionsschnell und risikobehaftet zu sein. Etablierte Unternehmen sind in der Regel langsamer in der Entscheidungsfindung und haben einen ausgeprägten Sinn für Hierarchien und Bürokratie.
Daraus ergeben sich zwangsläufig Reibungspunkte zwischen Konzern und Corporate Startup, die es bei unabhängigen Inkubatoren nicht gibt. Daher ist eine klare und eindeutige Abgrenzung zu anderen Forschungs- und Entwicklungseinheiten des Unternehmens sinnvoll und wichtig.
Da ein Corporate Startup weitgehend eigenständig und losgelöst von den Konventionen und Vorschriften des Mutterunternehmens agiert, ist es wichtig, den Handlungsrahmen weiträumig festzulegen. Zudem sollten bürokratische Hürden soweit wie möglich beseitigt werden. Dies sind in erster Linie Aufgaben des Top-Managements.
Eine weitere Gefahr für Corporate Startups besteht darin, die seit Langem in einem Unternehmen praktizierten Prozesse aus Gewohnheit zu übernehmen. Ebenso hinderlich auf dem Weg zu einer echten Innovation kann es sein, Entscheidungen im Sinne des Mutterunternehmens zu treffen.
Werden althergebrachte Strukturen und Arbeitsabläufe innerhalb des Corporate Startups jedoch angezweifelt und hinterfragt, kann dies zu einer Ablehnung durch die Kolleginnen und Kolleginnen in Unternehmen führen. Ein Wesensmerkmal von Startups ist, das sie in der Regel mehr disruptiv als optimierend bzw. „verwaltend“ sind.
Daher gehen einige Unternehmer, bevor Sie beginnen, Corporate Startups zu etablieren, den Weg über Intrapreneurship-Programme. Ein Intrapreneur ist ein Mitarbeiter in einem Unternehmen, der wie ein Unternehmer denkt und handelt.
Ein Intrapreneur hat unternehmerisches Potenzial. Dieses Potenzial soll mit Intrapreneurship-Programmen identifiziert und gefördert werden. Beispiele sind die Intrapreneurship-Programme von SAP und DB Systel.
Gleichzeitig wird auf diesem Weg eine breitere Basis für eine gelebte Startup-Kultur mit all ihren Besonderheiten und Eigenarten geschaffen. Die Akzeptanz der Einzigartigkeit der Startup-Kultur ist eine Grundvoraussetzung für die Freisetzung der innovativen Kräfte eines Corporate Startups.
Ein weiterer Faktor, der den Wirkungsgrad eines Corporate Startups einschränken kann, ist Schnelligkeit. In diesem Fall ist aber nicht gemeint, dass ein Startup zu langsam agiert. Ganz im Gegenteil: die Schnelligkeit und Agilität, mit der sich junge Unternehmen in Sachen Geschäftsmodellentwicklung und Go-to-Market fortbewegen müssen, unterscheidet sich meist maßgeblich von der „Trägheit“ etablierter Unternehmen.
Als Metapher wird hier gerne das kleine Startup-Schnellboot neben dem großen Corporate-Tanker genommen. Nichts ist schlimmer als Gas geben zu wollen (und zu müssen), es aber nicht zu können (zu dürfen). Speed is key!
Beispiele für Incubatoren oder Acceleratoren von deutschen Unternehmen
Bosch ist einer der Pioniere bei Corporate Startups. Der Technologiekonzern bietet über die Plattform „grow“ Wissen und Erfahrung der Bosch-Gruppe, Shared-Services, Co-Working Places und Finazierungen für Startups. Beispiele für aktuelle Startups im Bosch Inkubator sind CERIX (Keramikspritzguss), Deepfield Robotics (autonome Maschinen für das konventionelle und organische Unkrautmanagement) und TAGS (Technologien für die Agroökologie im Süden).
Hubraum (www.hubraum.com) ist der Technologie-Inkubator der Deutschen Telekom. Hubraum verbindet seit 2012 mit seinem digitalen Ökosystem Startups aus Berlin, Krakau und Tel Aviv. Schwerpunktbereiche sind 5G, IoT und KI. Hubraum bietet einen kostenlosen Coworking-Bereich zum Erstellen und Erweitern eines Unternehmens sowie die Nutzung der Ressourcen der Deutschen Telekom.
Bayer G4A, früher bekannt als Grants4Apps, wurde 2013 in Berlin eingeführt, ursprünglich mit dem Ziel, mobile Apps für das Gesundheitswesen zu finanzieren. G4A ist heute ein globales Team, das verhaltenswissenschaftlich verankerte Lösungen entwickelt und skaliert.
AllinazX ist die digitale Investmenteinheit der Allianz Gruppe. Schwerpunkte sind Big Data, IoT, FinTech, Cloud-Sicherheit, Risikoanalyse, eHealth, vernetztes Zuhause, Versicherungsinnovation. AllinazX bietet Zugang zu Spezialisten für UX-Design, IT-Entwicklung, digitales Marketing und die Finanzierung auf der Grundlage von Meilensteinergebnissen.
METRO Accelerator ist der Accelerator des Handelskonzerns Metro für Startups, die die Hotellerie digitalisieren und Innovationen für Unternehmen der Hotellerie und Gastronomie entwickeln. Geförderte Startups sind bspw. AFRESH (auf frische Lebensmittel zugeschnittene und KI basierte Supply-Chain-Software), CB4 Analytics (Patentierte Software zu Erfassen von verlorenen Verkäufen am POS), Shelfbucks (Real Time IoT Merchandising Analytics & Media Platform), Sezzle (Bezahlsystem).
Die BMW Startup Garage bezeichnet sich selbst als das Tor in die milliardenschwere Automobilindustrie. Die Plattform sucht Partnerschaften mit Top-Start-ups, die Innovationen bei der BMW Group fördern.
Next47 ist der Accelerator von Siemens mit Sitz in Berlin. Zweck ist es, die besten unternehmerischen Talente von innen heraus zu identifizieren und zu fördern, und sie in die Lage versetzen, Unternehmen der nächsten Generation für Siemens zu schaffen.
Der Inkubator Comdirect Startup Garage der Comdirect Bank bietet Co-Working-Space, Infrastruktur und finanzielle Starthilfe für Fin Tech Startups.
Fazit: Weit mehr als eine Modeerscheinung
Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, das Corporate Startups weit mehr sind als eine Modeerscheinung. Nach den großen Konzernen entdecken auch immer mehr mittelständische Unternehmen, dass ein Corporate Startup ein guter Nährboden für innovative Produkte und Geschäftsideen ist und das ein innovatives Unternehmen im Unternehmen für beide Seiten Vorteile bringt.
Anastasia
Ein Erfolg tritt immer dann ein, wenn alle Stakeholder, sowohl auf Corporate als auch auf Startup-Seite für die Herangehensweise des jeweils anderen offen sind und gleichzeitig dazu bereit sind, diese in die eignen Abläufe zu integrieren. Eigene Corporate-Inkubatoren, Corporate-Accelerator für Startups oder Beteiligungen als Quelle für Innovation sind in diesem Artikel bewusst außen vor gelassen.